Pricing-Tipps – 7 Maßnahmen für die Angebots- und Preisgestaltung

21.07.2020 von CA Redaktion | Controlling
Pricing-Fachnews

COVID 19: Wie Ihnen die richtigen Maßnahmen bei der Angebots- und in der Preisgestaltung durch die Krise helfen

Die gegenwärtige COVID-19-Krise ist beispiellos, und die Auswirkungen auf die Nachfrage in allen Branchen sind massiv. Wenn Unternehmen gut durch die Krise kommen und mittelfristig sogar profitieren wollen, müssen sie die richtige kurz- und mittelfristige Verkaufsstrategie entwickeln. Im Folgenden skizziere ich verschiedene Möglichkeiten, wie die Preisgestaltung und das Angebot den Unternehmen dabei helfen können, die kurzfristige Situation zu verbessern, ohne dabei mittelfristig Schaden anzurichten.

Im Moment ist es kaum möglich zu prognostizieren, wie die Erholung aussehen wird. Wenn Unternehmen erfolgreich sein wollen ist des deshalb unerlässlich, über ein professionelles und flexibles Instrumentarium in der Preis-und Angebotsstellung zu verfügen, um richtig auf jedes Szenario reagieren zu können.

Die Preisgestaltung ist eine offensichtliche Wahl, um auf die Krise zu reagieren.

Für Preisanpassungen braucht man keine zusätzlichen Investitionen und Maßnahmen können schnell umgesetzt werden. Und Preismaßnahmen wirken sich stärker auf finanzielle Resultate aus als kosten- oder volumenbezogene Maßnahmen.

Der überproportional starke Effekt auf das Endergebnis bedeutet aber auch: Preismaßnahmen müssen richtig und professionell gesetzt werden – wenn dies nicht der Fall ist, können sie ernsthaft nach hinten losgehen und Ihrem Unternehmen in Zukunft schaden. Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die während der letzten Finanzkrise von 2008/2009 die Preise auf breiter Front ohne Rücksicht auf Kundenbedürfnisse und undifferenziert für Produkte und Kunden gesenkt und sich damit auf Jahre in eine schwierige Situation gebracht haben.

Umgekehrt haben Unternehmen, die die richtigen Schritte gesetzt haben, ihre relative Marktposition verbessert und sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen.

Kurzfristig empfehle ich sieben Schritte, um Preisgestaltung und Angebotsstellung in der gegenwärtigen Krise zu optimieren. Selbst wenn die Zeit drängt, sollen hier keine großen Kompromisse gemacht werden:

Schritt 1 – Verstehen, was die aktuelle Krise für die Branche und das Unternehmen bedeutet

Bevor Unternehmen Maßnahmen ergreifen, müssen sie die genaue Situation, in der sie sich befinden, einschätzen, da die Krise Industrien auf unterschiedliche Weise getroffen hat.

Dabei können Lehren aus vergangenen Krisen wie der letzten Finanzkrise 2008/2009 einen guten Ausgangspunkt bilden. Gleichzeitig machen es aber die Digitalisierung und der technische Fortschritt sowie die massiven Eingriffe des Staates in die Geschäftstätigkeit ganzer Branchen notwendig, zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich, für die Planung mit unterschiedlichen Marktszenarien zu arbeiten.

Um aus dieser Krise als Gewinner hervorzugehen, müssen Unternehmen herausfinden, wie ihr Geschäft kurz- und mittelfristig beeinflusst wird, sie müssen verstehen, auf welche Marktszenarien sie ihre Planung stützen sollten, und die Ebene und Hierarchie ihrer Ziele überarbeiten – zum Beispiel die relative Bedeutung von Marktanteil, Umsatz und Gewinn festlegen.

Schritt 2 – Denken und Handeln auf Basis von wert- und pricingbasierten Segmenten

Idealerweise sollten Unternehmen bereits eine gute Vorstellung davon haben, wie sich ihr Kundenstamm in wert- und bedürfnissorientierte Segmente aufteilt. Falls nicht, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um so gut wie möglich zu verstehen: Was sind die primären Werttreiber und Gründe für Kunden, die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens zu kaufen? Und welche Rolle spielt der Preis in jedem Segment?

Es macht wenig Sinn, Kunden, die Qualität über alle anderen Faktoren stellen, einen Preisnachlass zu gewähren. Auch wenn sie für die Preissenkung zweifellos dankbar sein werden, ist dies kein Grund dafür, wesentlich mehr zu kaufen. Umgekehrt können Preismaßnahmen in den richtigen Untersegmenten (aber auch nur dort) sehr wirksam sein.

Schritt 3 – Die veränderten Bedürfnisse der Kunden während der Krise richtig verstehen

Während die Kundensegmentierung wichtig ist, um ein Gesamtbild des Ausgangsverhaltens zu erhalten, ist es zusätzlich nötig zu verstehen, zu welchen Änderungen in der Einstellung und dem Verhalten der Kunden die gegenwärtige Krise führt.

Sind meine Kunden wirklich preissensibler (d.h. würden sie bei niedrigeren Preisen kaufen)? Oder sind sie (wie es in der Finanzkrise oftmals der Fall war) möglicherweise kurzfristig einfach verunsichert und risikoavers? Ist Finanzierung oder ein kurzfristiges Budget der Engpass? Konzentrieren sich Kunden (egal ob als Konsumenten oder im B2B) noch mehr als sonst auf ganz konkrete und greifbare Vorteile eines Produkts? Oder haben meine Kunden ihre Ansprüche an das Produkt oder die Dienstleistung aufgrund der Krise nach unten (oder nach oben) geschraubt?

Jeder dieser Punkte verlangt nach gezielten und die Kundenbedürfnisse adressierenden Maßnahmen.

Schritt 4 – Angebots- und Preiselemente anpassen

Während Basisrabatte die Nachfrage wirksam ankurbeln können, wenn sie auf die richtigen Kunden ausgerichtet sind, ist die Palette möglicher Aktionen viel breiter. Änderungen in Preismodellen und Angebot können wirksamer sein, um ein möglichst breites Kundenspektrum zu erreichen.

Dazu gehören beispielsweise

  • Probezeiträume für Produkte und Dienstleistungen, um verstärkte Kundenzurückhaltung mit neuen Produkten zu überwinden
  • Erweiterte Garantien und Gewährleistungen – gegen erhöhte Risikoaversion
  • Unbundling von Preiselementen – Kunden können nur für die Elemente bezahlen, die sie als wesentlich erachten
  • Leistungsbezogene Modelle/ Pay-by-Use-Modelle – Überwindung von Kundenvorbehalten und verstärkte Konzentration auf Kosteneffizienz und harten Nutzen
  • Pay-per-Use Preismetrik oder nonlineare Modelle statt Heavy-User Pauschalpreismodelle
  • Paket-/Bündelpreise – mehr Produkte/Dienstleistungen verkaufen, aber zu einem kombinierten niedrigeren Preis

Während z.B. der Großteil der amerikanischen Wettbewerber mit traditionellen Rabatten gegen die verlangsamte Nachfrage beim Autokauf ankämpfte, war ein Wettbewerber mit einer anderen Taktik mit Abstand erfolgreicher. Konsumenten waren sehr wohl in der Lage, einen Autokauf zu tätigen, die unsicheren Zukunftsaussichten hielten sie aber davon ab. Als Antwort darauf war ein Modell mit Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Rückgabegarantie sowie ein temporärer Zahlungsaufschub sehr erfolgreich.

Schritt 5 – Intelligente Entscheidungen über Preisniveaus treffen

Wenn Unternehmen eine Preissenkung in Betracht ziehen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich diese finanziell lohnt. Alle Preisgestaltungsmaßnahmen sollten vor ihrer Umsetzung einer Break-even-Analyse unterzogen werden, um zu verstehen, wie sich der Schritt auf die Margen auswirkt und welches Zusatzvolumen notwendig ist, damit eine Preissenkung Sinn macht. So sind  beispielsweise für ein Produkt mit 30% Bruttomarge 50% mehr verkaufte Menge nötig, damit mit diesem Schritt der Gesamtgewinn gleich bleibt. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der Wettbewerber auf die Preissenkung reagieren könnte. 4 von 5 Experten aus dem Vertrieb oder Marketing über- oder unterschätzen diesen Zusammenhang. Es lohnt sich, hier Zeit für eine faktenbasierte interne Diskussion mit möglichen Reaktions- und Wettbewerbsszenarien zu planen.

Selbst in der Krise gilt: Es ist wichtig, sich so sicher wie möglich zu sein, das Preisänderungen wirksam sind, bevor sie implementiert werden.

Schritt 6 – Intelligent Preisaktionen wählen und richtig kommunizieren

Zeitlich limitierte Preisaktionen können den gewünschten Effekt verstärken, aber auch Wert zerstören. Verschiedene Aktionen führen zu unterschiedlichen Effekten. Ist eine temporäre Preissenkung der richtige Weg, oder sind Bundlingaktionen oder kostenlose Werbegeschenke wirksamer? Auch hier sollten der ROI und die Wirksamkeit von Werbeaktionen vor ihrer Durchführung prognostiziert werden, ebenso wie die längerfristigen Auswirkungen auf die Kunden und mögliche Aktionen der Wettbewerber – z.B. wie lange sollten Werbeaktionen angeboten werden, um eine maximale Wirkung zu erzielen, ohne den Gewinn wesentlich zu beeinträchtigen?

Die richtige Kommunikation (wie lange gültig, prozentuelle Ersparnis, andere verbale Verstärker) kann die Effektivität einer limitierten zeitlichen Aktion um den Faktor 2-3 steigern.

Schritt 7 – Die Macht der Preispsychologie nutzen

Es gibt zahlreiche Verkaufstechniken, die psychologische Erkenntnisse über menschliches Verhalten nutzen, um die Nachfrage zu steigern und viele Unternehmen wenden bewusst oder unbewusst bereits einige davon an. In der Krise sind solche Techniken aber besonders gefragt. Zum Beispiel können richtig angewandtes “Versionierung” sowie Ankereffekte besonders effektiv sein, den Kunden zum Kauf zu bewegen und den Produktmix zu beeinflussen.

Für viele Unternehmen sind dies schwierige und beispiellose Zeiten, die schnelle Reaktionen erfordern. Pricing kann in einer Krise viel bewegen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die richtigen preislichen Maßnahmen getroffen werden. Wegen der starken Wirkung des Preises können Maßnahmen auch nach hinten losgehen und mittelfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten. Die Anpassung der Preispolitik bedarf deshalb einer systematischen Herangehensweise mit dem richtigen Instrumentarium.

Autor: Mag. Richard Zinoecker berät seit 18 Jahren und in mehr als 250 Projekten Kunden im Bereich Pricing und Revenue Management mit Schwerpunkt deutschsprachiger Raum und Osteuropa.

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