Insolvenz – Was jetzt zu beachten ist: Insolvenzgründe

12.01.2021 von CA Redaktion | Accounting & Finance
Insolvenz – Was jetzt zu beachten ist: Insolvenzgründe

In unserer letzten Fach-News hatten wir die relevanten Paragrafen der Insolvenzordnung vorgestellt, die die Gründe für das Vorliegen einer Insolvenz festlegen:

  • a) § 17 InsO: Zahlungsunfähigkeit
  • b) § 18 InsO drohende Zahlungsunfähigkeit
  • c) § 19 Überschuldung

Die konkrete Beurteilung ist naturgemäß vom Einzelfall abhängig. Auch sind die Paragrafen allein wie üblich nicht selbsterklärend. Sie bedürfen der Auslegung. Es lassen sich jedoch typischerweise folgende Aussagen machen, die – losgelöst vom Einzelfall – zur Orientierung dienen können. Dabei sind die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung für die Praxis nicht nur von höherer Relevanz, sondern auch leichter zu beurteilen.

a) § 17 InsO: Zahlungsunfähigkeit

liegt vor, wenn das Unternehmen mindestens 90 Prozent seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann. Nicht zu verwechseln mit vorübergehender Zahlungsstockung. Hier kann das Unternehmen nur für kurze Zeit einen Teil seine Zahlungen nicht leisten und die Lücke kann danach vollständig geschlossen werden. In diesem Falle gelten statt der üblichen 3 Wochen vielmehr 3 Monate (manchmal bis zu 6 Monate). Es empfiehlt sich die Aufstellung einer sogenannten Liquiditätsbilanz, also die Gegenüberstellung von fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln – im Rahmen unserer Seminare gern als ‘FlüMi’ (Flüssige Mittel) bezeichnet.

c) Überschuldung nach § 19 InsO

liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten des Unternehmens das vorhandene Vermögen überschreiten, so dass die Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden können. Hier sind 2 Fälle zu unterscheiden: liegt eine positive Fortführungsprognose vor oder nicht? Im Rahmen einer rollierenden [!] Planung ist zu prüfen, ob zumindest die Finanzierung [!] für das laufende und kommende Jahr gesichert ist. Wird dies bejaht, liegt keine Überschuldung vor. Erst wenn die Frage verneint wird, wenn also keine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann, wird geprüft, ob das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten deckt. Die Aktivseite der Bilanz ist dabei neu zu bewerten, indem Liquidationswerte anzusetzen sind, die sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens tatsächlich erzielen ließen. Auf der Passivseite der Bilanz sind lediglich die Zahlungsverpflichtungen aufzuführen, die im Falle einer Insolvenz auch tatsächlich befriedigt werden müssten.

Schwieriger ist der Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO – Fall b)

Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit kann ein Unternehmen grundsätzlich selbst entscheiden, ob ein Insolvenzantrag erforderlich ist. Insbesondere die Frage, ob sich die ankündigende Zahlungsunfähigkeit noch abwenden lässt, ist naturgemäß in hohem Maße strittig. Man könnte sagen: Spätestens wenn mit allen Banken und übrigen potentiellen Geldgebern vergeblich über die Finanzierungssituation (z.B. weitere Gelder, Zahlungsaufschub) gesprochen wurde, liegt ein Insolvenzgrund vor. Praktisch dürfte dieser Fall eher selten vorkommen. In der Regel wird vielmehr die Fortführungsprognose für das Unternehmen die entscheidende Information liefern. Dabei muss sich zeigen, dass für das laufende das kommende Jahr die Finanzierung gesichert ist. Der “handwerklich/methodisch” korrekten Planung und Prognose kommt damit besondere Bedeutung zu.

18 InsO ist insofern problematisch, als auch der zu frühe Insolvenzantrag juristisch heikel ist. In diesem Fall nämlich droht dem Geschäftsführer die Haftung gegenüber den Gesellschaftern für die falsche Entscheidung. Es empfiehlt sich daher nicht, einen “Insolvenzantrag vorsichtshalber” zu stellen. Es besteht das Recht, aber nicht die Pflicht, nach Paragraf 18 InsO einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Übrigens: Bei diesem Insolvenzgrund kann allein der Schuldner den Antrag stellen. Anders als bei den übrigen Insolvenzgründen sind Gläubiger hierzu nicht berechtigt. Der Sinn der Regelung besteht darin, die Chancen auf die Sanierung des Unternehmens und damit auf den Erhalt von Arbeitsplätzen zu erhöhen.

In der nächsten Folge geben wir weitere Empfehlungen auch für Unternehmen, die nicht direkt von einer Insolvenzgefahr betroffen sind.

Hinweis: Diese Informationen sind mit großer Sorgfalt ermittelt. Trotzdem können wir keine Haftung oder Gewähr übernehmen. Dies ist keine juristische Beratung und kann diese auch nicht ersetzen. Bitte kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt, wenn Sie sich in einer Insolvenz befinden könnten.

Übrigens: Für Profis im Bereich der Liquiditätssteuerung empfehlen wir das Fachseminar Cashflow Rechnung bzw. Treasury für Controller

Autor: Dipl.-Oec. Guido Kleinhietpaß. Partner, Trainer und Consultant der CA controller akademie

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