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Sind ESG, CSRD und damit Nachhaltigkeits-Controlling tot? Sicher nicht!

Nachhaltigkeit und ESG: Vom Top-Thema zum “Buzzword
Noch bis 2024 waren die Themen Nachhaltigkeit und ESG ganz zentrale Felder für die Unternehmensstrategie. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf Controlling und Risikomanagement. Unternehmen betrachteten eine nachhaltige Unternehmensführung als entscheidenden Erfolgsfaktor. Sie versuchten, ihren ESG-Score als Maß für Nachhaltigkeit zu optimieren. Alle Nachhaltigkeitsinformationen sollten gemäß CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und ESRS (European Sustainability Reporting Standards) ausführlich im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Geschäftsbericht dokumentiert werden. Nachhaltigkeits- und ESG-Risiken wurden zu einem Fokusthema des Risikomanagements und das Controlling zunehmend damit beschäftigt, Daten für ESG-Ratings und die Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Verfügung zu stellen („Nachhaltigkeitscontrolling“).
Und nun, spätestens seit 2025, scheint alles anders zu sein. Die Europäische Union (EU) hat mit dem sogenannten „Omnibus-Verfahren“ (Quelle: Schmitt/Graewe, ESGZ 2025 und Velte et al., DB 2025) eine massive Vereinfachung von CSRD/ESRS zur Vermeidung von Bürokratie angekündigt und mit dem sogenannten „Stop the Clock“ Verfahren die Umsetzung der Regelung für viele Unternehmen ausgesetzt und zeitlich verschoben. Die gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und eine Vielzahl von Initiativen der amerikanischen Regierung unter Präsident Trump, wie Maßnahmen gegen DEI (Diversity, Equality, Inclusion) und die Zollpolitik, sowie die zunehmenden geopolitischen Risiken haben nun offenbar oft ganz andere Themen zur Top-Priorität der Unternehmen gemacht: Der Fokus richtet sich nun (wieder) auf die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit, Robustheit und Resilienz – mit wachsender Dringlichkeit auch auf das bloße Überleben (siehe zur Messung und Verbesserung der Zukunftsfähigkeit Gleißner/Weissman, 2024).
Haben sich damit nun Themen wie Nachhaltigkeit, ESG, CSRD/ESRS weitgehend erledigt? Sind sie zumindest nur noch Nebenthemen? Nachfolgend werden einige hier zentrale Thesen zusammengefasst und die Implikationen für das Controlling skizziert:
- Nachhaltigkeit ist und bleibt ein wichtiges Thema. Allerdings muss eine nachhaltige Unternehmensführung wieder richtig verstanden und nicht mit einem guten ESG-Score gleichgesetzt werden (Gleißner, ESGZ 2023). Eine nachhaltige Unternehmensführung ist nach wie vor von strategischer Relevanz. Folglich werden „Nachhaltigkeitsaspekte“ auch bei der Beurteilung von Robustheit und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens mit dem wissenschaftlich fundierten QScore-Modell berücksichtigt (dazu Gleißner/Weissman, 2024, Seite 39 ff.). Finanzielle Nachhaltigkeit, also z.B. niedrige Ertrags- und Insolvenzrisiken, sind ebenso wie eine Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden und das Lösen zentraler Probleme dieser Kunden Voraussetzung für langfristigen Erfolg.
- Es ist sehr zu begrüßen, dass die EU die extrem bürokratischen Anforderungen bei CSRD/ESRS überdenkt und reduzieren wird. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ist oft extrem aufwändig und die Ergebnisse dieser oft weitgehend unbrauchbar (Gleißner, 2024). Wichtig ist hier die Etablierung geeigneter Messkonzepte, eine konsistente Abstimmung mit den Methoden des Risikomanagements und eine sachgerechte Unterscheidung einer ersten Einschätzung der Wesentlichkeit und der späteren datenbasierten Messung. Bei einer sachgerechten Wesentlichkeitsanalyse, die das Controlling maßgeblich einbezieht, erreicht man eine Fokussierung auf tatsächlich wesentliche Sachverhalte und vermeidet unangemessen viel Bürokratie durch ein überbordendes „Nachhaltigkeitsmanagement“.
- Das Controlling wird das Thema „Nachhaltigkeitscontrolling“ als eine vielleicht neue Teilaufgabe mit übernehmen (wie bei vielen mittelständischen Unternehmen übrigens auch das Risikocontrolling, wenn keine eigenständige Risikomanagement-Abteilung für die Erfüllung der Anforderungen nach § 1 StaRUG existiert). Der effiziente und unbürokratische Weg sich mit Nachhaltigkeit im Allgemeinen und den spezifischen Anforderungen von CSRD/ESRS im Besonderen zu befassen ist entsprechend das Controlling zu einem echten „Nachhaltigkeitscontrolling“ zu befähigen. Das bedeutet konkret:
- Die vier Kennzahlen zur finanziellen Nachhaltigkeit, z.B. zur Messung von Insolvenz- und Ertragsrisiken (wie Gewinnschwankungen), sollten fest im strategischen Kennzahlensystem des Unternehmens verankert und regelmäßig überprüft werden.
- Es sollten außerdem Kennzahlen genutzt werden, die zeigen, wie gut das Unternehmen die Bedürfnisse seiner Kunden erfüllt – denn das sagt viel über die Wettbewerbsfähigkeit aus. Diese Kennzahlen müssen gemessen und gesteuert werden.
- Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD/ESRS ist es wichtig, dass das Controlling gemeinsam mit anderen Abteilungen geeignete Methoden zur Bewertung der Wesentlichkeit (also: Was ist wirklich wichtig?) entwickelt und die hierfür erforderlichen Daten regelmäßig bereitstellt.
Nachhaltigkeit war und ist ein wichtiges Thema, bei dem meist kein Widerspruch zwischen unternehmerischen Zielen einerseits und den Zielen von Umwelt und Gesellschaft andererseits besteht. Die zeitweise unangemessene Fokussierung auf das „Subthema“ ESG hat bei vielen Unternehmen dazu geführt, dass für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit wichtige andere Themen nicht adäquat beachtet wurden. Das Controlling wird in einem integrativen unbürokratischen Ansatz sich selbstverständlich auch mit Nachhaltigkeitsthemen und wichtigen ESG-Aspekten befassen. Aber gerade, wenn man keine bürokratische oder überdimensionierte Abteilung „Nachhaltigkeitsmanagement“ aufbauen will, sollte das Controlling selbst die Kompetenz im Feld „Nachhaltigkeitscontrolling“ aufbauen. Ohne das Controlling werden sich Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht realisieren lassen. So wird es die Aufgabe des Controllings sein, die besonders wichtigen Kennzahlen der finanziellen Nachhaltigkeit systematisch der Geschäftsleitung bereitzustellen und Daten aufzubereiten, um an den Messkonzepten für die Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsaspekten maßgeblich mitzuwirken.
Fazit
Nachhaltigkeitscontrolling wird also ein wichtiger Kompetenzbereich für das Controlling sein, ähnlich wie Kostencontrolling oder Risikocontrolling.
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Autor
Werner Gleißner
Trainer der CA controller akademie
Weiterführende/vertiefende Literatur
Baumüller, J./Gleißner, W. (2025): Impact Materiality messbar machen: Herausforderungen und Methoden der Wesentlichkeitsanalyse unter der CSRD, in: REthinking Finance, 8. Jg., Heft 1 (Februar 2025), S. 52-61.
Berg, F./Kölbel, J. F./Rigobon, R. (2022): Aggregate Confusion: The Divergence of ESG Ratings, in: Review of Finance, Vol. 26, No. 6 (November 2022), S. 1315–1344.
Gleißner, W. (2023): Nachhaltigkeit ist mehr als ein guter ESG-Score, in: ESGZ, Heft 1.2023, S. 43-47.
Gleißner, W. (2024): Nachhaltigkeit und ESG: Vorsicht bei der Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), in: REthinking Finance, 7. Jg., Heft 1, S. 26-32.
Gleißner, W./Weissman, A. (2024): Das zukunftsfähige Familienunternehmen. Mit dem QScore zu Unabhängigkeit, Resilienz und Robustheit, in der Reihe essentials erschienen, Springer Gabler Wiesbaden. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-42787-0.
Schmitt, D. T./Graewe, D. (2025): Der Weg zurück: Wie können Unternehmen die Abkehr von ESG kommunizieren?, in: ESGZ, Heft 6-7.2025, S. 4-7.
Velte, P./Wulf, I./Weber, S. C./Fischer, A. (2025): Der Vorschlag der EU-Kommission für ein EU-Omnibus-Paket zur Änderung von CSRD, ASDDD und Taxonomie-Verordnung, in: Der Betrieb, Heft 14, S. 813-823.